Papst Alexander III. im Gespräch mit Gläubigen. Chronicon pontificum et imperatorum, Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 137, fol. 230r (um 1460).

Die Formierung Europas durch Überwindung der Spaltung im 12. Jahrhundert

Das akademieübergreifende Forschungsvorhaben Die Formierung Europas durch Überwindung der Spaltung im 12. Jahrhundert untersucht das Alexandrinische Schisma (1159–1177) und dessen Überwindung als eine bedeutende Zerreißprobe für die lateinische Christenheit und den gesamten europäischen Kontinent. Ziel des Projekts ist die Identifikation und systematische Analyse der Mechanismen, die diese Kirchenspaltung zu einem Motor formierender Einflüsse auf die Entwicklung Europas werden ließen. Das Papstschisma dient somit als Modellfall für übergeordnete Fragen nach Spaltungs- und Krisenphänomenen, aber auch nach der Dynamik der Neuformierung universaler Einheit. Alle das Schisma betreffenden Quellenzeugnisse werden erstmalig gesammelt, erschlossen und in Form digitaler Regesten zeitgemäß aufbereitet und publiziert. Dies ermöglicht die differenzierte Untersuchung und Bewertung zahlreicher Problemstellungen von den Taktiken und Strategien päpstlicher Selbstbehauptung und Anhängergewinnung zur Analyse grundlegender Kommunikationsstrukturen im Konflikt.

Die Bearbeitung des interakademischen Projekts erfolgt in zwei mediävistischen Arbeitsstellen an den Universitäten Würzburg und Aachen, die eng koordiniert den Quellenbestand erfassen, aufbereiten und analysieren. In Kooperation mit dem Cologne Center for eHumanities (CCeH) wird zudem eine digitale Forschungsplattform entwickelt, die eine moderne Quellenauswertung ermöglicht und in der Regesten, Schlüsseldokumente und deren Abbildungen für Wissenschaft, akademische Lehre und interessierte Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden.

„Doch schwerwiegender als jedes Gebrechen ist für unsere Seele der Sturm der Zwietracht, der mit der Billigung des Herrn die Kirche auseinanderriss, Königreiche und Fürstentümer in Konflikt geraten ließ und Gottes Volk der Sicherheit und des Friedens beraubte.“

(The Letters of John of Salisbury. The Early Letters (1153–1161), hg. v. W. J. Millor u.a., Oxford 1986, S. 201.)

Mit drastischen Worten schildert Erzbischof Theobald von Canterbury im Frühjahr 1160 die Auswirkungen des Alexandrinischen Schismas. Aus der Papstwahl am 7. September 1159 waren zwei Konkurrenten um das Amt des römischen Bischofs hervorgegangen: Alexander III., der langjährige Kanzler der römischen Kirche, und der dem römischen Adel entstammende Viktor IV. Was als Folge von Unstimmigkeiten und Fraktionen im wählenden Kardinalskollegium begann, entwickelte sich mit dem aktiven Eingreifen Kaiser Friedrich I. Barbarossas zugunsten Viktors IV. von einer Kirchenspaltung zu einer gesamteuropäischen Zerreißprobe mit weitreichenden politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen.

In den folgenden zwei Jahrzehnten rangen beide Papstprätendenten um Unterstützung und Anhängerschaft. Die Frage der Positionierung veränderte die politische Landkarte Europas.

Nach dem Tod Viktors IV. im Jahr 1164 musste Alexander III. mit Paschalis III. und Calixt III. nacheinander noch zwei weitere Konkurrenten überwinden, bevor Kaiser Friedrich I. ihn – nach einer 18 Jahre andauernden Spaltung – am 25. Juli 1177 in einem rituellen Akt in Venedig als alleinigen legitimen Papst anerkannte. Bis zum Ende seines Pontifikats war Alexander III. die Formierung einer neuen Einheit gelungen, die weit über seinen Tod im Jahr 1181 Bestand haben sollte. Das Papsttum wurde damit über Jahrhunderte in politischer, gesellschaftlicher und kirchenrechtlicher Hinsicht zum stabilisierenden Faktor in Europa.

Papst Alexander III. und Thomas Becket nehmen voneinander Abschied. London, British Library, Loan MS 88, fol. 1v (um 1220–1240).

Akademievorhaben

Arbeitsstellen

Die Bearbeitung des interakademischen Projekts erfolgt in zwei mediävistischen Arbeitsstellen an den Universitäten Würzburg und Aachen, die eng koordiniert den Quellenbestand erfassen, aufbereiten und analysieren. Die digitale Komponente, umgesetzt durch das Cologne Center for eHumanities Köln (CCeH), ist zusätzlich an der Aachener Arbeitsstelle beheimatet.

Die Projektarbeit ist in der ersten Phase (systematische Vorarbeiten: 2023 bis 2028) gleichermaßen auf beide Standorte verteilt und wird erst ab der zweiten Phase (Integration von Einzelüberlieferung und -forschung: ab 2029) nach geographischen Zuständigkeiten aufgeteilt.

Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften (Prof. Dr. Martina Giese)

Die Arbeitsstelle Würzburg wird vor allem die geographisch-politischen Einheiten des Römisch-Deutschen Reichs und Italiens bearbeiten. Daneben fallen die weniger überlieferungsstarken Regionen Skandinaviens, Ostmitteleuropas und des Balkans sowie die Kreuzfahrerreiche in den Zuständigkeitsbereich der Würzburger Arbeitsstelle.

RWTH Aachen, Lehrstuhl für Mittlere Geschichte (Prof. Dr. Harald Müller)

Im Verantwortungsbereich der Arbeitsstelle Aachen liegt der westeuropäische Raum mit England, Irland, Schottland, Frankreich, dem Benelux-Raum sowie der Iberischen Halbinsel. Die digitale Komponente des Projektes wird durch die wissenschaftliche Mitarbeiterin des CCeH Köln umgesetzt.

Der Bereich Digital Humanities umfasst zunächst die Datenmodellierung und Entwicklung der Forschungsplattform. In späteren Projektphasen zählen zu den Aufgaben auch die computergestützte Auswertung der gesammelten Daten sowie die Gewährleistung der digitalen Nachhaltigkeit des Projektes.